Bericht von Ursula Hecker aus Yangon im Januar 2018 für die Myanmar Initiative e.V., Berlin

Liebe Freunde und Mitglieder der Myanmar Initiative,

Zusammen mit einem Psychotherapeutenehepaar aus Stuttgart, Frau und Herr Armbruster, besuchte ich vom 3. Januar bis 1. Februar 2018 Myanmar.

Zunächst wollten wir uns in dem Dorfentwicklungsprojekt in der Thangkaai Region des nördlichen Chin Staates über die Fortschritte der verschiedenen Programme orientieren.

Dort haben wir gute Fortschritte sehen können. Nach wie vor sind die Frauen in allen fünf Dörfern fest entschlossen, etwas für die Verbesserung ihrer und der Familien Lebenssituation zu tun. In Dimzaang und Thaklaam wollen sie vor allem lesen und schreiben lernen, ungefähr die Hälfte will Burmesisch Unterricht, um ihren Kindern in der Schule helfen und Nachrichten lesen zu können und mit Behörden verhandeln. Es fand sich dann auch in Yangon eine NGO, die sich bereit erklärt hat, zunächst geeignete Lernmittel zu erstellen und zu drucken.

Nach wie vor ist aber das Problem von Alkohol- und Drogenmissbrauch, vor allem der Männer, und der daraus resultierenden häuslichen Gewalt eines der größten Probleme der dörflichen Gemeinschaft. So haben wir beschlossen, in der ersten Woche im Mai ein dreitägiges Seminar zu organisieren, in dem der Zusammenhang von geschlechterspezifischer Gewalt und Armut mit Alkohol- und Drogenmissbrauch deutlich gemacht werden soll. Dadurch können die Frauen Wege und Möglichkeiten finden, ihre Situation zu ändern.

Seit die neue Wasserleitung in jedes Haus von dem umgesiedelten Dorf Muang Lang Wasser bringt, ist es ein grüner Garten geworden, die Frauen arbeiten auch eifrig darin. Mr. Pau zeigte uns stolz das Wasserreservoir, das er selbst geplant hatte. Auch das Webzentrum scheint zu funktionieren – aber ein ganz befriedigendes Gefühl hatten wir alle drei nicht. Ich bin nicht sicher, wie gut die Vermarktung klappt. Bei dem Besuch in den Dörfern war auch Herr Armbruster mit seiner Erfahrung in Management sehr hilfreich.

Wir werden in diesem Jahr noch eine Nursery School bauen. Dadurch können die Frauen dann, wenn die kleinen Kinder im Kindergarten sind, ungestört ihre schönen Stoffe weben. Sie fragten auch an, ob sie nicht Solarlampen bekommen könnten, damit sie nach getaner Haus-Arbeit abends noch weben können. Um für die Männer wenigstens den Verlust der Äcker in ihrem ursprünglichen Dorf etwas auszugleichen, haben wir angefangen, die Familien beim Anschaffen von Tieren zu unterstützen. Leider konnten wir das noch nicht für alle Familien im Dorf tun. Die einen wünschten sich Schweine, die anderen Ziegen, und wir hoffen, dass es bald möglich sein wird, jede Familie mit einem Tier zu versorgen.

Die beiden Frauen, die die Ausbildung zur Schwesternhelferin gemacht haben, werden jetzt im Februar ihr Examen ablegen. Sie müssen dann ja Arbeit bekommen, bis die neue Gesundheitsstation gebaut ist. Ab April sollen sie jeweils in ihrem Dorf eingesetzt werden. Das ist sicher nicht einfach für sie, deshalb haben wir einen genauen Plan von ihrer erwarteten Arbeit festgelegt, haben mit dem Dorfältesten gesprochen, dass sie die Beiden mit der für sie nötigen Infrastruktur unterstützen und ihnen den Rücken stärken, wenn die privaten Erwartungen der Dorfbewohner sie in ihrer Arbeit hindern. Wir denken auch, dass sie in Gesundheitserziehung und Hygiene und überhaupt in der ganzen Arbeit Erfahrung sammeln müssen. Deshalb wird die alte erfahrene Krankenschwester von Dimzaang zusammen mit ihrem Mann die Beiden für mindestens 3 Monate in die Arbeit einführen, sie begleiten und ihnen weitere Fortbildung geben. Der Dorfälteste von Kim Lai hat versprochen, dem Ehepaar für die drei Monate ein Haus zur Verfügung stellen. Als wir den beiden jungen Frauen dies in Aussicht stellten, strahlten sie und man merkte, wie ihnen ein Stein vom Herzen fiel.

Wegen des Baus der Klinik haben Mr. Pau und ich mit den verantwortlichen Regierungsstellen für Gesundheit in Teddim verhandelt. Um weitsichtig zu planen, ist es unbedingt nötig, dass wir genauer die Überlegungen der Regierung einschätzen können und sie unsere Klinik dann eventuell auch in ihren Plan aufnehmen. Es bestehen von Regierungsseite bis jetzt noch keine Pläne, in der Gegend von Muang Lang und Kim Lai eine Klinik zu bauen. Um unser Projekt aber in die Vorhaben der Regierung einzuschließen, muss das Land, auf der die Gesundheitsstation gebaut wird, dem Staat überschrieben werden. Da war es gut, dass der Headman von Kim Lai in Teddim mit dabei war, der dem sofort zustimmte und wie ich von Mr. Pau hörte, ist die Überschreibung auch schon geschehen. Außerdem müssen die Mitarbeitenden der Gesundheitsstation viermal im Jahr einen Bericht an den Gesundheitsdezernenten schicken und regelmäßig an den angebotenen Fortbildungen teilnehmen. Da dachten wir, das kann ja nicht schaden.

Die Straßen in die Dörfer scheinen mir von Mal zu Mal schlechter zu werden. Es sind ein paar Brücken gebaut worden, die aber nur zu Fuß oder höchstens mit einem kleinen Motorrad zu überqueren sind. Die Straßen, die die Regierung angefangen hat zu bauen, sind unbefestigt, und es ist abzusehen, dass sie nach dem nächsten Monsun auch nur noch zu Fuß passierbar sind, wie jetzt schon die vor drei Jahren gebaute Straße nach Thaklaam.

Nach dem sehr eindrücklichen Besuch in den Dörfern war dann das nicht weniger eindrückliche Seminar mit den anglikanischen Frauen in Pyu Oo Lwin. Es waren 18 Frauen aus verschiedenen Gegenden von Myanmar, dem Kachin Staat, aber auch dem Mon Staat und aus Sittwe und Yangon zusammengekommen. Manche der Frauen nahmen schon das dritte oder vierte Mal an einem solchen Training teil. Armbrusters haben sehr viel Erfahrung mit Beratung von psychisch Kranken und deren Lebenssituation, so dass das Seminar auch diesen Schwerpunkt hatte. Für die Frauen war es zunächst ein überraschendes Thema, aber es war wieder einmal erstaunlich, wie schnell, mit wieviel Offenheit und mit wieviel eigener Betroffenheit sich die Frauen diesem Thema gestellt haben.

Vorher hatten wir noch einen Studientag im MIT mit Khin Kyu Kyu: Einführung in die systemische Therapie. Das war eine Informationsveranstaltung, für die Studenten war es neu. Wir haben dann noch über das Chaplaincy Seminar gesprochen, das wieder im Mai stattfindet. Auch da haben die beiden engagiert mitgemacht. Das Thema: „Rape and Sexual Violence – a challenge for pastoral care and counselling“. Uns war allen klar, dass die Referenten für dieses Thema viel Fingerspitzengefühl benötigen und Khin Kyu Kyu ist es überhaupt nicht wohl dabei. Aber Vergewaltigung und sexuelle Gewalt wird ein immer größeres Problem, auch unter den Christen; und es wird natürlich totgeschwiegen.

Am Ende von Armbrusters Aufenthalt waren wir noch am Rande von Yangon in einem psychosozialen Gemeinwesen Projekt, wo eine burmesische Psychiaterin, Dr. San San Oo, vor zwei Jahren in ihrem eigenen Haus ein Rehabilitationsprojekt für von der Klinik entlassene psychisch Kranke aufgebaut hat. Es ist das einzige dieser Art in Myanmar, und sie sucht dringend Kooperationspartner, um das Therapiekonzept in Myanmar bekannt zu machen und zu verbreiten. Es scheint jetzt doch einige burmesische Initiativen zu geben, die das Problem der psychosozialen Versorgung aufgreifen, aber es ist wie ein Fass ohne Boden, und die psychisch Kranken haben überhaupt keine Lobby. Armbrusters und ich haben schon Phantasien entwickelt, wie man dem abhelfen könnte. Und wir haben auch den Vorschlag der Psychiaterin aufgegriffen, die Situation und die Probleme von psychisch Kranken in den Dörfern bewusst zu machen und dadurch den Umgang mit den Betroffenen zu verbessern. Dazu soll Ende März in den Dörfern ein Seminar stattfinden.

Natürlich haben wir auch dem Counselling Center in Yangon einen Besuch abgestattet und Frau Armbruster bot einen ganzen Tag Supervision an. Die drei Mitarbeitenden waren froh, über ihre Probleme sprechen zu können. Nach wie vor suchen wir nach jemanden, der ihnen regelmäßig Supervision anbieten kann.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie die Myanmar Initiative unterstützen, denn ohne Ihre Hilfe, wäre das alles nicht möglich. Ich danke auch den Supervisorinnen und Supervisoren, die sich im Laufe der Jahre bereit erklärt haben, sich mit mir auf das Abenteuer Myanmar einzulassen.  Die letzte Reise hat es wieder bewiesen, wie gut es ist.

Berlin, den 20. Februar 2018

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