Ein Corona Bericht der Myanmar Initiative im Juli 2020

Liebe Freundinnen und Freunde der Myanmar Initiative, liebe Mitglieder,

von Deutschland haben wir schon einige Zeit nichts mehr von uns hören lassen, weil sich die Corona Maßnahmen doch wie ein lähmender Schleier über alles gelegt haben, was an lebendigen Begegnungen unser Leben und unsere Kommunikation sonst ausmacht. Darum bitten wir um Nachsicht.

Die derzeitige Situation hat auch unsere Arbeit hier beeinflusst. Wir mussten unsere Mitgliederversammlung im März ausfallen lassen und können noch nicht absehen, wie und wann diese nachgeholt werden kann. Der 7. November könnte ein möglicher Termin dafür sein. Sonst sollten wir eine Videokonferenz planen, worüber die Vorsitzende nicht sehr glücklich wäre. Veranstaltungen über Myanmar, die bis Anfang des Jahres erfreulich häufig stattfanden, waren nicht mehr möglich. Weitere Reisen nach Myanmar werden möglicherweise dieses Jahr ganz ausfallen müssen. Gerade haben wir von einer Freundin gehört, dass der internationale Flughafen in Yangon noch gesperrt ist. So war es eine gute Fügung, dass die Gruppenreise im Februar und Anfang März das Seminar im Kachin Staat noch ohne Beeinträchtigungen durchgeführt werden konnten. Leider mussten wir die Besuche von Dr. Maung Maung Yin und Su Myat Htet im September und von Mr. Pau im November absagen. Sie hätten uns vom Myanmar Institute of Theology, vom Counselling Centre des YMCA und von der Arbeit der Myanmar Initiative direkt und aus ihrer Sicht berichten können.

Zum Glück sind die Verbindungen mit Myanmar über Mails und Whatsapps nicht abgerissen, und vor allem Mr Pau in Kalaymyo informiert uns regelmäßig über den Fortgang der Arbeit und über die Folgen der Pandemie. Es ist nicht so sehr das Virus, das den Menschen zu schaffen macht, sondern es sind vor allem die sekundären Folgen, durch die oft ihre Existenz bedroht wird. Durch die regelmäßigen Presseberichte von Ulrich Seim bekommen wir zudem noch ein gutes Bild über die allgemeine Lage in Myanmar, Corona betreffend.

Sie kann vielleicht so zusammengefasst werden: Die Zahl der Infizierten ist erstaunlich gering. Bis zum 18.7 waren 340 Fälle von COVID-19 gemeldet, davon 240 in Yangon und insgesamt 7 Todesfälle. Wir haben keinen Grund, diese Informationen grundsätzlich anzuzweifeln. Es ist sicher auch ein Ergebnis der Tatsache, dass Myanmar außer dem Tourismus doch noch ziemlich abgeschlossen lebt. Natürlich sind die großen Städte, Mandalay und Yangon am meisten betroffen und in Yangon wiederum der Stadtteil Insein, in dem das MIT liegt.

Dort hat es bedauerlicherweise wie in Deutschland auch einen Ansteckungs-Hotspot bei einem evangelikalen Gottesdienst gegeben, bei dem ein burmesischstämmiger Prediger aus den USA aufgetreten ist und meinte, mit dem richtigen Glauben bräuchte man sich nicht an die auch in Myanmar geltenden Regeln zu halten. Von dieser Haltung berichtete auch eine Freundin aus Nicaragua. In Myanmar kommt aber erschwerend hinzu, dass dies in einem nichtchristlichen Kontext geschah, wo die verschiedenen Strömungen des christlichen Glaubens nicht differenziert wahrgenommen werden. So hatten es die Christen der Großkirchen schwer, dies Geschehen ihren buddhistischen Freunden zu erklären. Insein, der Stadteil des MIT, unterliegt immer noch den hohen Beschränkungen, obwohl im übrigen Yangon allmählich das normale Leben wieder beginnt.

Insgesamt wurde das Gesundheitssystem nicht überstrapaziert. Man hatte sich rechtzeitig mit Masken und Schutzkleidung eingedeckt. An den Grenzen wurden die zurückkehrenden Wanderarbeiter kontrolliert und Quarantäne eingeführt. Viel schlimmer als die direkten gesundheitlichen Folgen waren die wirtschaftlichen durch die rigorosen Beschränkungen, die vor allem die Tagelöhner und die ärmsten Menschen betrafen und die ländlichen Gebiete, die keine Rücklagen und Vorräte hatten. Auch hat die Regierung es nicht geschafft, die alljährlichen Reiszuteilungen für die im Monsun unzugänglichen Dörfer dahin zu bringen, wo sie gebraucht wurden. So drohte in vielen Dörfern die Hungersnot, auch in zwei Dörfern des Projekts. Viele NGOs, auch die Myanmar Initiative haben dabei geholfen, dass die Menschen wenigstens mit dem Notwendigsten versorgt sind.

Der Tourismus kam fast völlig zum Erliegen. Schulen wurden geschlossen, Betriebe haben die Produktion eingestellt außer bei den überlebenswichtigen Teilen. Und wie überall herrscht Unsicherheit, wie es weitergehen soll. Insgesamt hat die Regierung sehr besonnen reagiert und versucht immer noch die Lage unter Kontrolle zu halten. Während dieser Krisenzeit hat Aung San Suu Kyi durch ihre Sorge für die Bevölkerung wieder an Ansehen und Vertrauen gewonnen, das in den letzten ein/zwei Jahren brüchig zu werden schien. Im Unterschied zu Deutschland und den europäischen Staaten hat Myanmar leider keine Rücklagen oder Möglichkeiten, mit Notprogrammen und wirtschaftlichen Hilfen den in ihrer Existenz gefährdeten Menschen zu helfen.

Zudem sind die Konflikte zwischen Militär und den ethnischen Gruppen leider nicht beigelegt oder durch Waffenstillstände unterbrochen worden. Das gilt vor allem für den Rakhine Staat, wo jetzt ein offener Konflikt des Militärs mit der buddhistischen Arakan Befreiungsarmee ausgebrochen ist, in den der südliche Chin Staat mit hineingezogen wird, weil die Kämpfer sich dorthin zurückziehen und die Chin Bevölkerung, die mit dem Konflikt nichts zu tun hat, tyrannisieren. Zum Glück sind die Verkehrsverhältnisse im Chin Staat so, dass der Norden, in dem das Projektgebiet liegt, davon außer durch allgemeine besondere Sicherheitsvorkehrungen nicht berührt wird. Allerdings ist bei uns dieser Konflikt fast nicht bekannt, weil wir uns in Deutschland vor allem mit dem Problem der Rohingya-Flüchtlinge beschäftigen. Der scheidende EU-Botschafter in Myanmar gibt zu bedenken, dass die Situation im Rakhine Staat vielschichtiger ist, als wir meistens wahrnehmen.

Jetzt noch ein paar Bemerkungen zu Vor-Corona Zeiten: der letzte persönliche Besuch bei den Projekten der Myanmar Initiative fand Mitte Februar 2020 statt, zusammen mit einer Gruppe aus Ostfriesland. Da war die Welt noch in Ordnung. Wir alle hatten einen guten Eindruck von den laufenden Programmen. Einige Frauen hatten ihren Alphabetisierungskurs mit Erfolg abgeschlossen, und wir vereinbarten, dass sie sich weiterhin einmal die Woche treffen sollten, um das Gelernte zu vertiefen. Das Webzentrum funktioniert gut, die gewebten Muster werden immer komplizierter und die Frauen können etwas zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen. In den Nursery Schools hatten wir den Eindruck, dass die Kinder viel Zuwendung und Anregung bekommen und an die notwendigen Voraussetzungen für ein gesundes Leben wie Hygiene und gesunde Ernährung herangeführt werden. Die Clinic wird von den Menschen weiterhin als großer Segen betrachtet und die drei Schwestern arbeiten offensichtlich gut zusammen. So können wir mit Sicherheit sagen, dass sich die Anstrengungen, um dieses Projekt zu finanzieren, gelohnt haben. Stolz zeigte uns Mr. Pau auch das im Rohbau fertiggestellte Community Center und sprach mit Begeisterung von den Programmen, die darin stattfinden sollten. Nähkurse sollten für Frauen in den Dörfern die Voraussetzung schaffen für ein eigenes Einkommen, Seminare über Dorf relevante Themen abgehalten werden, Bewusstseinsbildung für die Probleme in den Dorfgemeinschaften geschaffen werden, regelmäßige Fortbildung für die Mitarbeitenden in den Projekten. Es sprudelte nur so von Ideen, die wir (fast) alle gut und wichtig fanden. Dass das alles auch bei den Verantwortlichen der Myanmar Initiative in Deutschland wegen der noch nicht ausreichenden Finanzierung ein wenig Bauchschmerzen verursachte, spielte in dem Moment eine untergeordnete Rolle.

Drei Wochen nach unserer Abreise aus Kalymyo kam die Schreckensmeldung, das Virus Covid19 hat auch den nördlichen Chin Staat erreicht. In Teddim, der Distrikthauptstadt, ist durch einen aus USA heimkehrenden Burmesen Corona eingeschleppt worden. Glücklicherweise hat die Distriktregierung sofort reagiert mit totaler Ausgangssperre, mit Schließungen von Kitas, Schulen und Colleges, so dass auch Mr. Pau die Dörfer zunächst einmal nicht mehr besuchen konnte. Allerdings wurde die strikte Ausgangssperre im Projektgebiet bald aufgehoben und die Regierung schickte Aufklärungsteams in die Dörfer, um die Menschen auf die Gefahren hinzuweisen und Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen zu erklären. Die Thomas Clinic stellte ihre Arbeit um und übernahm die Aufgabe, die Dorfbewohner regelrecht für die Vorsichtsmaßnahmen zu trainieren. Denn das häufige Händewaschen z.B. war für die Menschen ein Luxus, den sie sich auch nach dem Erhalt einer Wasserstelle am Haus nicht unbedingt leisteten. Mr. Pau konnte durch die Zwangspause in seinem College einige Zeit in der Clinic mitarbeiten. Das Virus hat sich im Distrikt Teddim nicht weiter ausgebreitet und ab 1. Juli konnten die Nursery Schools, die Alphabetisierungsklassen und der Bau am Community Center weitergeführt werden.

Gerade noch vor den Corona Einschränkungen nach Deutschland zurückgekehrt, hörten wir von der Neuorientierung des Entwicklungshilfeministeriums der Bundesrepublik. In Zukunft sollen nur noch solche Staaten direkt unterstützt werden, die gezielt Reformen zu guter Regierungsführung durchsetzen, Menschenrechte wahren und Korruption bekämpfen. Myanmar wurde von der Liste der zu unterstützenden Länder gestrichen. Dass die Regierung in Myanmar in Sachen Menschenrechte und Korruption einiges zu wünschen übriglässt, kann man nicht bestreiten. Dennoch finden wir als Myanmar Initiative diese Entscheidung des Bundesministeriums für Entwicklung falsch. Gerade die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) haben durch ihre Arbeit in Myanmar ein Beispiel gegeben, wie gute Entwicklungshilfe sein kann, im Gegensatz zu manchen anderen staatlichen Hilfen, wo der Eigennutz des Gebers mit Händen zu greifen ist. Die Situation in Myanmar ist komplizierter, als wir sie normalerweise wahrnehmen. So haben einige unserer Mitglieder und Freunde beschlossen, zusammen mit vielen anderen NGOs und Myanmar Freunden Protestbriefe zu schreiben. In den Antworten des Entwicklungshilfeministeriums wurde als Erklärung für die Entscheidung ausschließlich auf das Rohingya Problem hingewiesen. Das bedeutet unseres Erachtens eine Verkürzung des Problems.

Am Ende dieses langen Briefs müssen wir leider wieder dringend um Hilfe bitten. Wie fast immer in Krisenzeiten oder während einer Katastrophe ist es schwierig, genügend Spenden für normal laufende Projekte zu bekommen. Das ist auf eine Weise nachvollziehbar, bringt uns aber in große Schwierigkeiten, zumal die Corona Krise auch der Myanmar Initiative zusätzliche Kosten verursacht hat, wir aber dafür nicht speziell geworben haben. Das Community Center muss fertiggestellt werden, die Gehälter bezahlt, die provisorische Nursery School in Kim Lai wenigstens regensicher hergerichtet werden. Wir haben zwar schon Spenden für den Bau einer Wasserleitung in Kim Lai bekommen, können aber die noch fehlenden Mittel zurzeit nicht von unserem laufenden Haushalt bestreiten, und auch der Kauf der Nähmaschinen muss auf nächstes Jahr verschoben werden, obwohl Mr. Pau schon eine Liste der Frauen hat, die mit dem Nähkurs beginnen wollen. Das neue Kommunikationszentrum steht mit Räumen bereit.

Natürlich stellt sich uns auch immer wieder die Frage, wie es in Zukunft weitergehen könnte. Eine Lösung, die wir von Anfang an angestrebt haben, sollte sein, dass die Distriktregierung in Teddim die festen Kosten des Projekts übernimmt, denn schulische Belange und medizinische Versorgung sind Aufgaben des Staates. Grundsätzlich stimmen die amtlichen Stellen zu, sehen aber zurzeit noch keine Möglichkeit, dem nachzukommen. So sind die Menschen bis auf Weiteres auf unsere Unterstützung angewiesen.

Wir sind Ihnen sehr dankbar für die Hilfe, die Sie dem Projekt bis jetzt haben zukommen lassen und hoffen, dass Sie auch weiterhin die Arbeit unterstützen können. Ohne Ihr Zutun wären die Menschen in der Projektregion völlig allein gelassen mit ihren existentiellen Nöten.

Wir hoffen, dass Sie alle gut durch die letzten Monate gekommen sind und nicht zu sehr beeinträchtigt waren durch die Einschränkungen. Wir alle wünschen uns sicher, dass wir unser Leben wieder selbstbestimmt leben können und nicht durch das Virus Covid 19 beherrscht werden.

Alles Gute und herzliche Grüße, auch von meinem Mann und den Mitgliedern des Vorstands.

Ihre
Ursula Hecker, Vorsitzende

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